Recalling an epic journey/Blick zurück aufs Abenteuer
Wir sind ziemlich genau 7 Wochen und 4 Tage unterwegs gewesen. 23.158 km mit der Bahn, weitere gut 10.000 km zurück mit dem Flieger. Wir haben einen ganz anständigen Teil Eurasiens durchquert. Das größte Land, das dünnst-besiedelte, das aufstrebendste, das abgeschottetste und eines mit großartigem Essen. Wir sind mit diversen Zügen gefahren. Kleinbahn, auf der längsten Strecke der Welt, auf der höchsten Strecke der Welt, im Zweier-Abteil, im Vierer-Abteil oder im offenen Sechser-Liegewagen. Mit der Deutschen, der russischen, der mongolischen, der chinesischen, der nordkoreanischen, der vietnamesischen Bahn. Mit chemischen Toiletten, mit Aufs-Gleis-Toiletten, zum Hocken oder Sitzen. Mit einer Steckdose pro Wagen, pro Abteil oder pro Platz. Immer mit heißem Wasser für Tee, Nudelsuppe oder was auch immer. Wir waren in unseren Abteilen zusammen mit Russen, Mongolen, Chinesen, Nordkoreanern, Vietnamesen und Westlern. Wir haben Tickets online gekauft, am Schalter in Moskau, uns in China zustellen lassen oder brauchten gar nichts zu tun. Wir waren irritiert von den Ehrbezeigungen (Soldaten, Zollbeamte, Eisenbahner) gegenüber den internationalen Zügen in der Mongolei, China und Nordkorea – manchmal auf offener Strecke. Wir haben uns häufiger mal nicht waschen können, unsere Shirts und Hosen noch seltener. Wir hatten gelegentlich Kopfschmerzen, waren auch mal dehydriert, hatten leichte Höhenkrankheitssymptome, Erkältungen, Durchfall und Verstopfung – sind also ganz passabel durch die Welt gekommen.
Wir haben viel Terrorvorsorge wahrgenommen – in Moskau, Peking und Tibet. Wir haben sehr viel zu kommunistischer Geschichte gehört, wir sind zu allen Mausoleen der letzten zur Schau Gestellten gepilgert – und haben Lenin, Kim2 und Mao gesehen. Ho-Chi-Minh war leider aushäusig. Wir haben viel über die Entwicklungen in der Welt geredet, über Sozialismus, über Lebensmodelle, über Kriege, deren Auslöser und was man dagegen machen kann. Wir haben Großstädte mit moderner Infrastruktur und spannenden neuen Geschäftsmodellen gesehen und waren in der tiefsten Provinz. Wir waren komplett von der Welt abgeschnitten, haben mittels VPN den Behörden ein Schnippchen geschlagen, mussten gelegentlich in ein Restaurant, um Internet-Verbindung zu bekommen, sind an den vielen Tunnelfunklöchern in China verzweifelt oder hatten auch mal an jeder Ecke ein funktionierendes WLAN. Wir haben gemerkt, wieviel Unterschied es macht, die Sprache des Landes zu kennen oder nicht zu kennen. Wir sind allein unterwegs gewesen oder in Reisegruppen und haben erfahren, dass so ‘ne Reisegruppe zwischendurch entspannt, weil man nicht immer alles selbst organisieren und suchen muss. Und weil man Leute aus aller Herren Länder trifft, die sooo viel mehr gesehen haben als man selbst und dadurch einen sehr gesunden Blick auf die Welt entwickelt haben. (Und uns, die nicht wenig gereist sind, das Gefühl geben, bisher nur einen kleinen Teil der Welt gesehen zu haben.) Wir haben gelernt, dass Länder bei der Visa-Vergabe völlig unterschiedliche Maßstäbe anlegen – Nordamerikaner bekommen ungefragt multiple entry Visa für China für 10 (!) Jahre, während wir um double entry für 30 Tage kämpfen müssen. Wir können unsere Passnummern mittlerweile in die vielen Formulare blind eintragen und Zugnummern auswendig aufsagen. Wir haben mit Telefon-/Datenkarten unterschiedlicher Länder Kontakt zur Heimat gehalten und gemerkt, dass dieser Teil der Welt wohl vor allem Prepaid arbeitet. Wir haben erfahren, dass im Unterschied zu Europa Ländergrenzen gleichzeitig komplette „Landschafts- und Völkergrenzen“ darstellen können. Wir konnten – bis auf Nordkorea – in allen Ländern Geld abheben, mussten aber immer wieder neue Währungen besorgen und haben uns manchmal in den ständig wechselnden Kursen verloren (1: 70/ 2.900/ 7,8/ 8.400/ 10/ 27.000).
Wir haben gesehen, dass nicht nur die Deutschen pünktlich sind, dass viele Menschen sehr hart arbeiten, der Lohn für ihre Arbeit aber gering und ihre Lebensverhältnisse sehr einfach sind. Wir haben tiefe Religiosität und lebensnahen Pragmatismus erlebt. Wir haben uns gewundert, dass Chinesen, Nordkoreaner und Vietnamesen praktisch immer und überall schlafen können – wahrscheinlich, weil ihre Nächte wegen des Klimas und der beengteren Wohnverhältnisse nicht so ruhig sind wie unsere. Wir sind überall freundlich und herzlich aufgenommen worden, haben nicht ein einziges Mal Angst gehabt und konnten mehrfach das wirkliche Leben der lokalen Bevölkerung erleben. Wir haben uns häufig auch ohne Sprache verständigt. Wir haben erfahren, dass die Menschen überall neugierig auf uns und unsere Geschichte waren und gleichzeitig gern von sich und ihrem Leben erzählt haben. Wir haben Schlangen vor deutschen Vertretungen im Ausland gesehen und verstehen das als Wunsch auf ein Leben wie unseres.
Und dann habe ich mich erinnert, dass ich vor 30 Jahren um jede Fahrt zu meiner damaligen Freundin nach Polen, einem „Bruderland“, beim Staat betteln musste. An eine Reise in den Westen war ohnehin nicht zu denken. Ich bin dankbar für all die Möglichkeiten, die uns heute offenstehen, weiß aber auch, wie schnell so was wieder vorbei sein kann. Daher bleibt der Wunsch, dass, wer immer die Gelegenheit hat, reisen sollte oder Fremden Gastfreundschaft gewähren und dass Politiker überall auf der Welt die Hürden für solche Reisen und Freundschaften verringern. Und bevor man über das eigene Land meckert, kann ein Vergleich mit anderen Gegenden ganz heilsam sein. In jedem Fall weitet es den Horizont – und es könnte helfen, Konflikte zukünftig friedlich auszutragen.
We have been on the rails for quite accurately 7 weeks and 4 days. 23,158 km by train, another ~10,000 km on the return flight. We've crossed a substantial part of Eurasia. The largest country, the most sparsely populated one, the fastest developing one, the most isolated one and one with terrific food. We were travelling with a wide variety of trains. On the longest track of the world, on the highest one, in two-berth compartments, four-berth ones or in open six-berth cars. With the German, the Russian, the Mongolian, the Chinese, the North Korean, the Vietnamese railway. With chemical toilets, with on-track toilets, for squatting or sitting. With one socket per car, per compartment or per seat. All of them with hot water for tea, noodle soup or whatever you like. In our compartments we enjoyed the company of Russians, Mongolians, Chinese, North Koreans, Vietnamese and Westerners. We bought tickets online, at the counter in Moscow, had them delivered in China or didn’t need to do anything. We were irritated by people (soldiers, guards, railway employees, …) saluting the international trains in Mongolia, China or North Korea – sometimes next to the track in the middle of nowhere. We couldn’t wash ourselves regularly, our shirts and trousers even less frequently. We occasionally had headaches, were sometimes dehydrated, had mild altitude sickness, caught colds, suffered a little from diarrhoea as well as constipation. Hence, nothing to complain about.
We have noticed a lot of terror prevention – in Moscow, Beijing and Tibet. We have heard a great deal about communist history, we have made pilgrimages to all the mausoleums of the last exhibited ones – and have seen Lenin, Kim2 and Mao. Unfortunately, Ho Chi Minh was not in town. We have talked a lot about the developments in the world, about socialism, about approaches to life, about wars, their triggers and what can be done about it. We have seen large cities with modern infrastructure and exciting new business models but have also stayed in rural backwaters. We were completely cut off from the world, have tried to trick the authorities by using VPN, occasionally had to go into a restaurant for internet connection, were desperate while crossing many tunnels in China and sometimes had fast WiFi at every small food stall. We have realized how much difference it makes to know or not know the language of the country. We have travelled alone or in groups and have learnt to value an occasional group tour, because a guide often makes life much easier. And, because you travel with people from all over the world, who have seen so much more than you and developed a no-nonsense view on many issues. Giving us, who have already travelled a little, the feeling that we have seen only a very tiny part of the world by now. We have learned that countries apply completely different standards when granting a visa – North Americans routinely get multiple entry visas for China for 10 (!) years, while we have to fight for a double entry one for 30 days. We are now able to enter our passport numbers into the many forms by heart and to recite the various train numbers. We have kept in touch with home using telephone/data cards of different countries and noticed that this part of the world seems to work preferably prepaid. We have learned that, in contrast to Europe, country borders can simultaneously represent complete "landscape and people borders". We were able to withdraw money in every single country, except for North Korea, but always had to get a new sort and sometimes got lost in the constantly changing exchange rates (1:70/2,900/7.8/8,400/10/27,000).
We have seen that not only the Germans are punctual, that many people work very hard, but the wages for their work are low and their living conditions are poor. We have experienced deep religiosity and a pragmatic approach to life. We have been surprised that Chinese, North Koreans and Vietnamese can sleep practically anywhere – perhaps because their nights are not as quiet as ours. Due to climate and cramped living conditions. We have been warmly welcomed everywhere, have not been afraid once and occasionally have experienced the real life of the local people. We have often communicated without knowing the language. We have learned that people everywhere were curious about us and our history, and also liked to talk about themselves and their lives. We have seen queues in front of German representations abroad and understand this as a desire for a life like ours.
And then I remember that 30 years ago I had to beg with the authorities for every single trip to my at-that-time girlfriend to Poland, a "brother country". I am grateful for all the opportunities we have today, but I also know how quickly such things can be over again. Therefore, after all this travelling only one wish remains. Whoever has the chance to travel, or to provide hospitality to foreigners, should do so, whereas politicians around the world should reduce the obstacles for such trips and friendships. And before you complain about your own country, a comparison with other regions of the world can be quite wholesome. In any case, it broadens the horizon – and it could help to resolve future conflicts peacefully.